Gruppenvergewaltigung in Berlin: Erst nach einer Medienrecherche erfährt die Öffentlichkeit von dem Verbrechen Der Görlitzer Park ist ein Kriminalitätsschwerpunkt in der deutschen Hauptstadt. Im Juni haben dort mehrere Männer eine junge Frau vergewaltigt. Es ist bereits der achte sexuelle Übergriff im laufenden Jahr.

Ferdinand Knapp, Berlin
31.07.2023, 12.17 Uhr 4 min

Berliner geniessen die Sonne im Görlitzer Park. Nach Sonnenuntergang herrscht jedoch ein anderes Bild.
Maja Hitij / Getty

Am 21. Juni dieses Jahres soll es im Görlitzer Park in Berlin im Stadtteil Kreuzberg zu einer Gruppenvergewaltigung einer 27-jährigen Frau gekommen sein. Mehrere junge Männer attackierten zuerst den gleichaltrigen Partner des Opfers und vergingen sich dann an der jungen Frau. Anschliessend raubten sie ihre Opfer aus. Ein Beschuldigter, nach Informationen der "Bild"-Zeitung ein 22-jähriger Somalier, wurde festgenommen. Vergangene Woche erging Haftbefehl gegen den Mann. Gegen weitere mögliche Täter werde ermittelt, heisst es vonseiten der zuständigen Staatsanwaltschaft.

Am Montag (31. 7.) teilte die Polizei Berlin mit, dass sie einen weiteren Tatverdächtigen verhaftet hat. Der per Haftbefehl gesuchte 22-Jährige sei am Sonntagabend in Kreuzberg festgenommen worden. Der Mann befinde sich in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen würden andauern.

80 sexuelle Übergriffe in den letzten fünf Jahren

Die Öffentlichkeit hatte zunächst von der Vergewaltigung im Juni nichts erfahren. Die Berliner Boulevardzeitung "B. Z." berichtete vergangene Woche über das Verbrechen. Die Polizei reagierte dann mit einer Pressemitteilung. In dieser verteidigt sie ihre Informationspolitik damit, dass durch "frühzeitige Berichterstattung" das Opfer in seinem Aussageverhalten hätte beeinflusst werden können.

Aus zwei schriftlichen Anfragen der Berliner Linksfraktion geht allerdings hervor, dass es dort im Zeitraum von 2018 bis zum 26. Juni dieses Jahres zu 80 schweren Sexualdelikten kam: Vergewaltigungen, sexuelle Nötigungen oder sexuelle Übergriffe. Allein in der ersten Jahreshälfte 2023 waren es acht Straftaten. Zusätzlich wurden in den letzten fünfeinhalb Jahren 97 "weitere Sexualdelikte" registriert.

Mehr als 700 Körperverletzungen

Auch die Zahl nichtsexueller Straftaten zeigt: Der Görlitzer Park ist ein Kriminalitätsschwerpunkt in Berlin. So kam es im Zeitraum von 2018 bis Mitte 2023 zu 708 gefährlichen oder schweren Körperverletzungen. Mindestens fünf Menschen starben infolge von Mord oder Totschlag.

Der Park ist bekannt für offenen Drogenhandel und -konsum. Passanten werden im und rund um den Park regelmässig von Dealern angesprochen, viele der Drogenverkäufer haben keinen deutschen Pass. Allein im ersten Halbjahr 2023 wurden 711 Strafanzeigen wegen Delikten mit Drogenhandel oder -konsum registriert sowie 313 Verstösse gegen das Aufenthalts- und Asylgesetz.

Der Park, unter Berlinern auch als "Görli" bekannt, liegt im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und zwischen zwei belebten Kiezen. Wenn Passanten oder Velofahrer von dem einen in den anderen Kiez möchten, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als entweder einen Umweg zu nehmen oder den Park zu durchqueren. Das ist gerade bei Dunkelheit im schlecht beleuchteten Park ein Problem.

Debatte über Polizeikontrollen

Der Görlitzer Park ist einer von sieben sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten in Berlin. Eine solche Einordnung erlaubt der Polizei "verhaltensabhängige Identitätsfeststellungen" und Durchsuchungen von Personen, die sich an solchen Orten aufhalten. In den letzten zwölf Monaten konnte die Polizei bei fast jeder vierten Kontrolle im "Görli" unerlaubte Drogen feststellen.

Die Bemühungen der Polizei, das Dealen mit Kontrollen präventiv zu unterbinden, werden von linker Seite immer wieder kritisiert. Der Polizei wird sogenanntes "Racial Profiling", also die gezielte Polizeikontrolle von Menschen nach Kriterien wie Aussehen oder Hautfarbe, vorgeworfen, sobald die Beamten Menschen ohne deutschen Pass oder mit Migrationshintergrund im Park kontrollieren. Der zuständigen Polizeidirektion lagen allerdings in den letzten zwölf Monaten keine Beschwerden im Zusammenhang mit "Racial Profiling" vor.

"Stop Racial Profiling" heisst es auf einem Banner am Park im Juli 2021. Die politische Linke kritisiert stichprobenartige Polizeikontrollen von Menschen ohne deutschen Pass oder mit Migrationshintergrund.
Ferdinand Knapp / NZZ

Zusätzlich hat das Berliner Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg seit Mai 2019 im Görlitzer Park sogenannte "Parkläufer" angeheuert. Sie patrouillieren im Park und sollen Menschen ansprechen, die sich nicht an das Berliner Grünanlagengesetz halten.

Der Kreuzberger CDU-Abgeordnete Timur Hussein fordert eine Polizeiwache im Park. Das sagte der Politiker am Donnerstag dem "Tagesspiegel". Ausserdem solle der Park nachts geschlossen werden. Der christlichdemokratische Berliner Innenpolitiker Burkard Dregger spricht sich in der Zeitung für eine Videoüberwachung des Parks aus. Im Berliner Koalitionsvertrag von CDU und SPD für die aktuelle Legislaturperiode ist festgehalten, dass die schwarz-rote Koalition einen "anlassbezogenen Videoschutz an kriminalitätsbelasteten Orten" einführen möchte.

Die Gruppenvergewaltigung im Görlitzer Park ist bereits der zweite Fall im Juni, bei dem die Berliner Polizei nur spärlich oder erst spät Informationen an die Öffentlichkeit gibt. Auch nach mehreren sexuellen Übergriffen am 10. Juni am Berliner Schlachtensee hatte die Polizei gezögert, Details zu den Taten zu veröffentlichen. Dort sollen zwei Minderjährige und zwei 18- und 19-jährige junge Männer sich an drei minderjährigen Frauen vergangen haben. Auch über diesen Vorfall hatte zuerst das von Axel Springer herausgegebene Berliner Boulevardblatt "B. Z." informiert. Die Polizei hat wegen der beiden Vergewaltigungen nun eine Ermittlungsgruppe eingerichtet.


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